Herta Rockachs
(Über)Lebensgeschichte
Teil 2: Auschwitz und Bergen-Belsen

Es ist das Jahr 1943. Hertas Eltern sind einige Monate zuvor nach Auschwitz deportiert worden. Vermutlich sind sie bereits ermordet worden.
Am 5. April wird Herta auf offener Straße von der Gestapo festgenommen.
Zwei Wochen später wird sie mit vielen anderen zusammen in einen Viehwaggon gepfercht und in das größte Vernichtungslager der Nazis zwangsverschickt: Auschwitz
Wenn du wissen möchtest, wie es ihr während der Deportation erging, dann schau dir dieses Video an:
„Ich war sehr naiv. Ich sagte: Oh, vielleicht finde ich meinen Vater oder meine Mutter hier. Aber ich habe nie erfahren, was sie in Auschwitz erlebt haben.“
Vernichtungslager Auschwitz

Auschwitz war das größte Vernichtungslager der NS-Zeit.
Der Lagerkomplex liegt im damals vom Deutschen Reich annektierten Teil Polens.
Zwischen 1940 und 1945 wurden die in ganz Europa gefangen genommenen Menschen mit Zügen ins Lager deportiert. 90% von ihnen waren jüdischen Glaubens.
Hier fand der systematische und fabrikmäßige Mord an Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen statt.
Nach der Ankunft der Deportationszüge erfolgte die Selektion. Alte, Kranke, Schwache und Kinder kamen direkt in die Gaskammern, wo sie aufs Grausamste ermordet wurden. Kräftige Personen mussten unter unmenschlichen Bedingungen schwerste Zwangsarbeit verrichten. Sie litten unter Hunger, Kälte, Krankheit, katastrophalen Hygienezuständen und totaler Erschöpfung. Sehr viele Menschen starben unter diesen Bedingungen.
Im Lager gab es weiter regelmäßige Selektionen. Zudem führte die SS Menschenversuche durch.
Die Zahl der Menschen, die in Auschwitz ermordet wurden, wird auf 1.1 bis 1.5 Millionen geschätzt.

„Wir kamen in einen großen Raum mit Stockbetten. eins über dem anderen und da waren vielleicht 100 gefangene in einem Raum oder vielleicht sogar mehr.“

Nach ihrer Ankunft in Auschwitz kommt Herta in Block 10.
Sie berichtet hier davon:
Block 10 im Stammlager Auschwitz I:
Block 10 war ein Gebäude im Lager Auschwitz, das ab 1943 als Versuchsstation für „medizinische“ Forschungen diente. Die hier untergebrachten Frauen wurden von den dort tätigen Medizinern für deren Menschenversuche missbraucht. Die Frauen wurden gegen ihren Willen sterilisiert, d.h. sie konnten nach der Behandlung keine Kinder mehr bekommen. Die Versuche waren sehr schmerzhaft und entwürdigend. Manche Frauen starben daran. Viele wurden nach den Versuchen in den Gaskammern ermordet.
Herta wurde unfreiwillig zur Krankenschwester gemacht.
Hier erzählt sie vom „Alltag“ in Block 10:
In diesem Video beschreibt sie die Experimente:




Eines Nachts hat Herta Dienst als Krankenschwester und sie kann einer Frau das Leben retten:

Einmal pro Woche kamen die deutschen Ärzte in den Block, um die Insassen zu untersuchen.
„Einige [von uns] hatten Typhus. Jeder war krank. Aber alle sagten, es sei von dr. Claubergs Injektionen. Sonst wären sie in die Gaskammern gegangen.“
„Jeden Sonntag gab es ein Konzert. Wir mussten die Fenster öffnen und zuhören. menschen starben dort und wir mussten den Konzerten zuhören.“
Unter diesen furchtbaren Bedingungen helfen sich die Menschen gegenseitig:

„Wir dachten alle, wir werden hier sterben. Wir glaubten nicht, dass wir überleben würden. Alle meine Freunde, wir verloren alle die Hoffnung.“
Im Januar 1945 kommen die russischen Truppen näher. Deshalb werden die Gefangenen, die noch laufen können, zu Fuß und unzureichend bekleidet, aus dem Lager getrieben. Später wird man dies die Todesmärsche nennen.
Herta erinnert sich so:


Todesmärsche von Auschwitz:
Als die russischen Truppen näher rückten, wurde das Lager geräumt.
Die SS-Wachmannschaften setzten vor dem Abmarsch Teile des Lagers in Brand und begannen mit dem Abriss der Gaskammern, um die Beweise für ihre Verbrechen zu vernichten.
Arbeitsfähige Häftlinge wurden auf tage- oder wochenlange Märsche in andere Lager gezwungen. Wer zu schwach zum Laufen war, wurde im Lager zurückgelassen.
Der Begriff Todesmärsche wurde von Überlebenden geprägt, denn viele Menschen starben auf den Märschen. Sie erfroren, verhungerten oder brachen zusammen und wurden dann von den SS-Wachen erschossen.
Der Todesmarsch führt Herta in das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Hier herrschen Hunger, Kälte und Krankheit. Das Lager ist völlig überfüllt.
„Da war ein SA-Mann, ein älterer SA-Mann. Er war sehr nett zu uns. Er sagte, dass die Alliierten nah sind und dass wir die Hoffnung bewahren sollten.“
Herta beschreibt die letzten Tage vor der Befreiung von Bergen-Belsen:





Am 15. April 1945 wird Bergen-Belsen von der britischen Armee befreit.
Herta ist sehr krank und abgemagert.
Doch sie wird wieder gesund.
Nach einiger Zeit beginnen die britischen Truppen, die Heimreise der Menschen zu organisieren.
Herta kehrt nach Belgien zurück.
„Als wir aus dem Bus ausstiegen, standen dort die Menschen und klatschten für uns.“
Sie kommt bei Freunden unter und findet Arbeit.
Kurz darauf lernt sie ihren zukünftigen Ehemann Henry Rockach kennen. Er hat seine Frau und sein Kind in einem Lager verloren. Die beiden wollen ein neues Leben beginnen.
Sie wandern in die USA aus.
Der sehnliche Wunsch des Ehepaares, Kinder zu bekommen, bleibt aufgrund der erlittenen Misshandlungen in Auschwitz unerfüllt.
1990 kommt Herta auf Einladung der Stadt Frankfurt noch einmal nach Höchst.
Im letzten Video erzählt Herta, wie sie mit dem Erlebten umgeht.
Herta stirbt 2007 in Florida im Alter von 87 Jahren.
Jetzt kennst du Hertas Geschichte. Danke, dass du dir Zeit dafür genommen hast.
„Jeder, der heute einem Zeugen zuhört, kann selbst zum Zeugen werden.“
Du kannst zum Zeugen oder zur Zeugin von Hertas Geschichte werden. Du kannst ihre Geschichte weitererzählen. Oder du kannst diesen Artikel mit jemandem teilen. Du kannst auch kreativ werden: Schreib einen Brief oder male ein Bild zu deinen Eindrücken. Welche Ideen hast du?
Quellennachweise:
https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Auschwitz
https://de.wikipedia.org/wiki/Block_10_(KZ_Auschwitz)
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/303537/vor-75-jahren-todesmarsch-aus-auschwitz/
https:// frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/ stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine-in-hoechst/familien/neumann- amalie-wolf-und-herta
Videos: Herta Rockach. Interview 6091.Visual History Archive, USC Shoah Foundation, 1995
Bildnachweise:
Teil 1:
Bilder von Herta und ihren Eltern: Projekt Juden in Höchst
Höchster Schloss von domeckopol über pixabay
Höchster Schlossplatz von lapping über pixabay
Bank: Bildarchiv preußischer Kulturbesitz
Boykott: Bundesarchiv, Bild 102-14468 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0
Synagoge visuelle Rekonstruktion: Fachgebiet Digitale Gestaltung, TU Darmstadt
ausgebrannte Synagoge: Institut für Stadtgeschichte
Illustrationen des Reichspogroms in Höchst: Manuel Tiranno (mit freundlicher Genehmigung)
Brüssel: Bundesarchiv, Bild 146-1969-129-01
Teil 2:
Auschwitz von Ron Porter über pixabay
Auschwitz von Dzidek Lasek über pixabay
Innenraum Baracke von dimitrisvetsikas1969 über pixabay
Block 10 von dimitrisvetsikas1969 über pixabay
Stacheldraht von LukeL über pixabay
Gebäudekomplex Auschwitz von peter89ba über pixabay
Tor Auschwitz von peter89ba über pixabay
Koffer von Jacek Abramowicz über pixabay
Koffer und Körbe von waldomiguez über pixabay
Auschwitz von carlosftw über pixabay
Eisfläche von krllkshn über pixabay