Claire Gysin-Morgenstern Biografisches
Diese Seite wurde im Rahmen der Projektwoche zum 150-jährigen Jubiläum der Helene-Lange-Schule erstellt. Sie soll an die jüdischen Schülerinnen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus unsere Schule besuchten. Der folgende Zeitstrahl erfasst alle gesammelten Materialien in chronologischer Reihenfolge. Mithilfe der Tag-Funktion ist es möglich, nach einzelnen Biografien zu filtern. Zudem finden sich hier digital aufbereitete (Über)Lebensgeschichten einiger Schülerinnen.
1930
Claire (Klara/Kläre) Gysin-Morgenstern, geb. Morgenstern *10. September 1922 Eltern: Paula Morgenstern Siegmund Morgenstern
Claires Mutter ist evangelisch, ihr Vater jüdisch. Die Familie lebt zunächst im Frankfurter Westend. Claires Eltern sind mit den Eltern von Anne Frank befreundet. Der Vater stirbt, als Claire ein Jahr alt ist. 1928 zieht die Familie nach Höchst, weil die Mutter dort Verwandte hat. Claire besucht von 1928 bis 1932 die Hostatoschule, dann von 1932 bis 1938 das Lyzeum. Sie und ihre Freundin Gisela Stemmler sind die einzigen noch verbleibenden jüdisch-stämmigen Schülerinnen am Lyzeum. Beide sind evangelisch und haben einen jüdischen Elternteil. Somit gelten sie als „Mischlinge“. Direktor Dr. Wachter kommt regelmäßig in ihre Klasse und drangsaliert sie. So sagt er vor der ganzen Klasse, dass er die beiden von der Schule entfernen werde, da er eine „rein arische“ Schule haben wolle. Diese Drohung macht er 1938 wahr: Nach der Untersekunda (10. Klasse) verweigert er ihnen den Zugang zur Oberstufe. Die Famile ist sowohl mit der christlichen als auch mit der jüdischen Tradition verbunden. Mit der Familie mütterlicherseits feiert Claire alle christlichen Feste, beim jüdischen Onkel und bei ihrer älteren Halbschwester in Frankfurt begeht sie jüdische Feste. Die Halbschwester emigriert 1937 mit ihrer Familie nach Luxemburg, wird aber später nach Auschwitz deportiert, wo ihre ganze Familie ermordet wird. Claire zieht mit ihrer Mutter 1937 nach Sindlingen, wo sie zwei Jahre wohnen. 1939 wird ihnen gekündigt, weil die Mutter die Witwe eines Juden ist. Von 1939 bis 1944 müssen sie bei Verwandten leben, da sie keine Wohnung mehr finden. Claire hat keine Möglichkeit, die Schule zu beenden oder eine Ausbildung zu beginnen. Das ist „jüdischen Mischlingen“ verboten. Ihren Traum, Zeitungswissenschaften zu studieren, kann sie nicht verwirklichen. 1942 findet sie eine Anstellung als Volontärin, jedoch unterbezahlt. Sie ist hier Schikanen ausgesetzt. Sie darf bei Bombenalarm nicht in den Luftschutzkeller oder Bunker. Nach dem Krieg emigriert sie in die Schweiz und heiratet Walter Gysin. Mit Otto Frank, dem Vater Anne Franks, verbindet sie eine lebenslange Freundschaft. Sie arbeitet im Anne-Frank-Fonds in Basel. Das Ehepaar hat keine Kinder. Claire stirbt 1997 im Alter von 74 Jahren.

Klassenfoto 1934. Claire stehend ganz rechts mit Zöpfen.

Claire Gysin-Morgenstern 1980